Lovely Adam – Bericht über einen Friseurbesuch

Ich war am Samstag beim Friseur. Das ist normalerweise nichts besonders Erwähnenswertes, die Haare sind wieder ein Stück kürzer und im Idealfall ist man mit dem Ergebnis ganz zufrieden. Ich möchte von diesem trotzdem erzählen, denn bis Samstag habe ich den schwulen Friseur immer für ein Klischee gehalten. Jetzt weiß ich, dass er existiert und dass er Adam heißt.

Den Termin hatte ich mir in der Woche bei einem Ausflug in die Innenstadt gemacht und mich schon die Tage vorher darauf gefreut, weil ich es in der letzten Woche in Friedrichshafen einfach nicht mehr zum Friseur geschafft hatte und langsam schon ziemlich genervt war, vor allem von meinem Pony. Da das Wetter gut war und es nicht allzu weit ist, habe ich zum ersten Mal wieder mein Fahrrad nehmen können. Ich sah also auch entsprechend Fahrtwindzerzaust aus, als ich in den Friseursalon bin und da stand Adam; top gestylt und sehr freundlich, Jacke abnehmen, was darf es zu trinken sein? – Herrlich!

Leider stellten wir beide bald fest, dass wir ein Verständigungsproblem hatten. Ich hatte mich, was das notwendige Friseurvokabular anging, unzureichend vorbereitet und wusste nicht einmal was Pony heißt. Adam hingegen hatte einen sehr ausgeprägten Akzent und offensichtlich wenig Erfahrung mit Menschen, die ihn nicht auf Anhieb verstehen. Jedenfalls hat er die Sätze, die ich nicht verstanden habe, sehr höflich aber kaum langsamer oder deutlicher einfach immer wiederholt. Wohl in der Hoffnung, dass ich es schon irgendwann verstehen würde – das war nicht immer der Fall.

Am faszinierendsten war allerdings, wie er sich bewegt hat. Ich weiß, dass es viel zu sehr nach Klischee klingt, wenn ich tänzeln schreibe, aber ehrlich, so war es. Und sein absolutes Lieblingswort war ‚Lovely‘. Auch an aus meiner Sicht eher unpassenden Stellen, fand er alles einfach „Lovely!“

„Ist das so von der Länge in Ordnung?“ – „Ja!“ – „Lovely!“

„Wo ziehst du normalerweise den Scheitel?“ – „Hier, also links.“ – „Lovlely!“

Irgendwann musste ich mir echt das Grinsen verkneifen. Aber er hat seine Sache gut gemacht, auch wenn er sich standhaft geweigert hat, meinen Pony so kurz zu schneiden, wie ich das gerne wollte. Offensichtlich fand er meine diesbezügliche Vorstellung nicht so lovely. Als er zum Schluss ewig an meinen Haaren herumgezupft hat, damit alles gut sitz und ich mich irgendwann bemüßigt gefühlt habe, ihm zu sagen, dass ich gleich mit dem Fahrrad nach Hause fahre, habe ich eine Hauch von Entsetzen über sein Gesicht huschen sehen, aber auch das war letztendlich „Lovely.“

Als er mir die Rechnung fertig gemacht hat, hat er mich gefragt, ob ich seine Karte möchte. Vielleicht hat er gehofft, ich würde nein sagen, aber das habe ich natürlich nicht. Sonst hätte ich ja nicht gewusst, dass mein Lovely- FriseurStylist Adam heißt.

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